Kubas Ringen mit dem Klimawandel
Kubas Ringen mit dem Klimawandel – Eine Reise durchs Land mit ganz persönlichen Eindrücken
Als Karibikinsel ist Kuba besonders stark vom Klimawandel betroffen. Es befindet sich in der sogenannten Straße der Hurrikans, wo Wirbelstürme immer wieder und immer häufiger und heftiger auftreten. Auch der Anstieg des Meeresspiegels, die Erosion der Küsten und die extreme Trockenheit der Böden belasten die Insel, die immerhin rund ein Drittel der Fläche Deutschlands ausmacht. Nach aktuellen Schätzungen könnten ohne Maßnahmen des Küstenschutzes bis zum Ende des Jahrhunderts 10 Prozent des kubanischen Territoriums überflutet sein. Dadurch würden Küstenstädte ausgelöscht, die Wasserversorgung verschmutzt, landwirtschaftliche Flächen zerstört, Strände verwüstet und eine Million Menschen, etwa 9 Prozent der Bevölkerung, zur Umsiedlung gezwungen.
Doch Kuba hat bereits ernsthafte Maßnahmen umgesetzt und wurde in mehreren internationalen Berichten als führend in Sachen nachhaltige Entwicklung bezeichnet. Im Frühjahr 2017 verabschiedete die kubanische Regierung den Klimaschutzplan Tarea Vida („Lebensaufgabe“), der viele Maßnahmen zur Abschwächung der Folgen des Klimawandels vorsieht. So soll die Umstellung auf erneuerbare Energien und die gesetzliche Durchsetzung von Umweltschutzmaßnahmen schrittweise bis 2100 forciert werden. Ich bin bei den staatlich verordneten Maßnahmen, die von internationalen Organisationen oft mit Kreditprogrammen verknüpft werden, hinsichtlich der tatsächlichen nachhaltigen Umsetzung vor Ort eher skeptisch. Voraussetzung für ein Gelingen ist eine politische und gesellschaftliche Stabilität, die in Kuba leider kaum vorhanden ist.
Silke und ich sind also gespannt, ob wir Hinweise auf umwelt- und klimaschützende Ansätze finden und möchten uns dabei an den Menschen und ihrem Alltag orientieren. Dies können sicher nur sehr subjektive und punktuelle Eindrücke sein, aber wir wollen uns bemühen, bei unserer Rucksackreise diesen besonderen Blickwinkel einzunehmen.
Es ist heiß – der Schweiß rinnt in kleinen Bächen den Rücken hinab. Von der Stirn tropft es aufs Papier. Mit meinen einjährigen an der VHS gelernten Spanischkenntnissen schreibe ich auf der Dachterrasse unserer hübschen "Casa Particular" mitten in Havanna ein paar Fragen auf, die ich später den Kubanern zu ihrem Umweltbewusstsein stellen möchte. Welchen Stellenwert hat der Umweltschutz? Gibt es aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungs- und Lebensstandards andere Prioritäten als bei uns in Europa? Ist Umweltschutz überhaupt ein Thema im Alltag? Gibt es ein Bewusstsein über globale Zusammenhänge und lokale Auswirkungen? Schon beim Schreiben wird mir klar, wie weltfremd diese Fragen hier klingen, wie naiv! Meinen kleinen Fragebogen stecke ich ein und mache mich auf den Weg. Als Europäer gut erkennbar, werde ich sofort in der Altstadt angesprochen und zum Geldwechseln, zum Bar- und Restaurantbesuch, zum Kauf von Zigarren oder zum Taxifahren animiert. Ein Gespräch über anderes als dies ist kaum möglich, was nicht nur an der Sprachbarriere liegt, sondern auch an der Sichtweise der Kubaner auf mich Europäer. Auch wenn ich ohne Teleobjektiv entspannt durch die Straßen schlendere, bin ich doch in erster Linie „walking money“, ein Reicher, der mehr oder weniger direkt etwas abgeben kann. „Ja, das Wasser ist hier sehr sauber, man kann ja schließlich baden gehen.“ „Und was ist mit der Luft?“, möchte ich von Josue wissen, als sich ein Bus in einer dunkelblauen Dieselwolke mit ohrenbetäubendem Lärm an uns vorbeischiebt. Wir stehen am Malecon, Havannas ehemaliger Uferprachtstraße. „Die Luft? Wieso? Die ist doch da?“, schaut er mich fragend an.
Später spreche ich mit Ronaldo, dessen Vater sich nach seiner Aussage mit Gasoline vergiftet hat, und der selbst 10 Jahre im Gefängnis gesessen hat, nachdem er sich mit einem Polizisten geprügelt hatte. Geschichte und Geschichten verkaufen sich immer gut. Ronaldos glasiger Blick verrät allerdings eine harte Vergangenheit. Er gibt, genau wie Luis, der uns am Vortag durch Havanna geführt hatte, dem Sozialismus die Schuld für die Not der Kubaner. An Beteiligungsmodelle für Windparkbetreibergesellschaften, an Stromtrassen quer durch Kuba denken sie nicht, wohl aber an gefüllte Regale in Supermärkten, an Apotheken, die nicht nur Nasentropfen haben, an Bäckereien, bei denen man ohne lange Warteschlangen und auch ohne Lebensmittelheftchen Brot bekommt, an eigene Restaurants, in denen man seine eigenen Konzepte und Ideen umsetzen kann und damit selbst Geld verdient, an einen Lohn von mehr als 80 bis 100 Euro pro Monat für einen Arzt oder Lehrer,… „Ja, es gibt so Vieles, wovon man hier träumen kann. Lebenswerten Wohnraum zu schaffen, das sei wichtig!“, meint Luis. Der für Touristen so attraktive Vintage-Charme des verfallenen Baustils aus den 30er Jahren ist für Kubaner selbst ein Wohnen in Ruinen. Fidel Castro selbst sah davon ab, Geld in die Bauunterhaltung zu stecken, um den Zuzug vom Land in die Stadt möglichst unattraktiv zu halten. Heute leben circa 2-3 Mio. der rund 11 Mio. Kubaner in Havanna in größtenteils staatlichen Häusern ohne Miete nach Art der Hausbesetzer und oft ohne Strom und Wasseranschluss. Luis hatte noch Glück; sein Haus fiel zusammen als er unterwegs war – manche schaffen es nicht mehr heraus.
Wie geht hier also Umweltschutz und gesicherte Grundbedürfnisse zusammen? Eher gar nicht, sollte man meinen! Ohne dass die Versorgung mit elementaren Dingen wie Nahrungsmitteln und Wohnraum sowie eine gewisse soziale Sicherheit gewährleistet wird, ist ein aktiver Umwelt- und Klimaschutz erst einmal so weit weg, wie er es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war. Dazu kommt die Befürchtung, dass durch die zunehmende Dekarbonisierung westlicher Industrienationen einige Länder mit verhältnismäßig geringerem Lebensstandard vom vermeintlichen Wohlstand abgeschnitten würden und eben nicht mehr in den Genuss von Billigflügen, Wegwerf- und Massenkonsumartikeln, billigen Autos, günstiger Elektronik und Energie kommen. Vielleicht liegt hier genau eine Chance, die Welt ohne (oder mit zumindest deutlich reduzierteren) fossile Energien und mit einem nachhaltigen Ressourcenverbrauch so attraktiv zu machen, dass auf klimaschädliche Verhaltensweisen gerne verzichtet wird?! Das könnte unsere Aufgabe sein!
Ein paar Tage später: Silke hält mich gerade noch zurück, als ich in Viñales, dem malerisch im Westen Kubas von Karstbergen umgebenen Örtchen auf die Hauptstraße treten möchte. Fast wäre ich von einem geräuschlos heranschwebenden E-Moped erwischt worden. Die Einspänner-Kutsche und auch das mit Holz beladene Ochsengespann, das sich aus einer Seitenstraße heraus breit macht, sind da kaum zu überhören und passen perfekt zum landwirtschaftlichen Landschaftsbild. Der wie ein alter Diesel-Fischkutter röhrende riesige Schulbus mutet dagegen wie ein wütender Brontosaurus an. Dieses Nebeneinander ist zunächst irritierend. Das E-Moped scheint einem „Science-Fiction“ entsprungen zu sein! Ein paar Augenblicke später hat man sich aber auch schon an die verrückte Szenerie gewöhnt.
Hier und im nahen Piñar del Río werden die weltberühmten kubanischen Zigarren hergestellt. Sie sind bestimmt kein aktiver Beitrag zum Umweltschutz, aber eine wichtige Einnahmequelle des Landes, die – sofern nachhaltig betrieben – die natürlichen Lebensgrundlagen sichert. Alvaro, ein junger Kubaner im Cowboy-Look, der seit Jahren im Geschäft ist, zeigt und erklärt uns sehr professionell, wie eine Zigarre entsteht, welche Blätter genutzt werden und wie letztlich ein Tropfen Honig nicht nur das Deckblatt zum Halten bringt, sondern dem rauchenden Kunstwerk einen besonderen Geschmack verleiht. Durch die verschiedenen Sonnenexpositionen der verwendeten Blätter wird die Stärke reguliert und über das Entfernen der Blattmittelstege auch das Nikotin deutlich reduziert – alles in allem ein reines Naturprodukt. Je nach Stärke und Größe kostet es zwischen 5 und 9 Euro. Im Hotel Imperial hatten wir sie zum dreifachen Preis als Cohiba, Bolivar oder Montecristo gesehen. Nur ein kleiner Teil der Ernte darf selbst vermarktet werden, der Rest muss zum Festpreis an den Staat abgeführt werden. Da der immer weniger zahlt, die Lohnkosten aber immer stärker steigen, lohnt sich die arbeitsintensive Produktion immer weniger, mit der Folge, dass viele Bauern auf den Anbau von Mais ausweichen, was wiederum zu einer maschinenintensiven und gentechnisch potentiell veränderbaren Monokultur führt.
Etwas außerhalb von Viñales, das sich im Wesentlichen entlang der Hauptstraße orientiert, besuchen wir die zweitgrößte Höhle Zentralamerikas, die Caverna de Santo Tomás. Ihr Eingang liegt in einer steilen Karstflanke am Talrand. Die bis 400 Meter hohen Karstberge rund um Viñales werden auch Mogoten genannt und sind ehemalige Stützpfeiler eines riesigen Höhlensystems, das vor rund 170 Mio. Jahren eingestürzt ist und dadurch den Höhlenboden freigelegt hat. Voller Spannung geht es in einen solchen Pfeiler hinein. Mit Stirnlampen ausgerüstet tauchen wir in die oberen beiden der insgesamt sieben Höhlenstockwerke ein und folgen Eterio, dem sehr fachkundigen jungen Kubaner. Er hat eine mehrjährige Ausbildung hinter sich, um uns und rund 15 andere Touristen an beeindruckenden Stalaktiten und Sinterterrassen vorbei zu führen. Während die Höhle in Europa sicher wesentlich stärker vermarktet werden würde, nimmt sich das kleine Büdchen mit Kasse, Helmen und Lampen bescheiden aus. Die Relation von Naturerlebnis und touristischer Erschließung ist stimmig und kann - nachhaltig genutzt - die Attraktivität dieser schönen Landschaft sichern. Schade, dass die teilweise mit Wasser gefüllte Nachbarhöhe Cueva del Indio wegen Stromausfall heute nicht besucht werden kann. Hier wäre für ein weiteres sanftes touristisches Angebot noch Potential.
Leider begleitet uns der Stromausfall auf dem Land immer wieder und wirkt in allen Bereichen wie Sand im Getriebe. Das Internet funktioniert nicht, Pumpen für fließendes Wasser in Hotels und Apartments stehen still, jede Initiative ist lahmgelegt und sorgt für einen ungesunden Fatalismus. Nur Havanna wird, wohl auch aus Furcht vor dem Unmut der Massen, rund um die Uhr versorgt. Und schließlich sollte ja zumindest der Sitz der Regierung und das touristische Aushängeschild Kubas ständig beleuchtet sein.
Zurück in Viñales gießt es, wie meistens, pünktlich um 15:00 Uhr; diesmal so kräftig, dass uns das Gewitter im Café zu einem zweiten Kaffee überredet. Rogelio, der Kellner, studiert eigentlich Französisch und Englisch, aber da seine Mutter krank sei, müsse er arbeiten und einen Nebenjob neben dem Studium zu haben, sei verboten. So muss leider das Studium pausieren. Er ist glücklich, eine Einladung seiner niederländischen Freundin nach Breda zu haben. Stolz zeigt er mir ihr Foto und fragt nach deutschen Einreiseformalitäten. Er freut sich, möglichst bald ins Ausland zu gehen. Schade, denn so wie er verlassen viele Akademiker und auch Arbeiter auf der Suche nach einem sicheren Verdienst das Land. Oft versuchen sie mit lebensgefährlich einfachen Styroporbooten direkt nach Florida zu überzusetzen oder kaufen für über 10.000 Dollar ein Schleuserticket nach Nicaragua, von wo aus sie dann über Mittelamerika versuchen in die ersehnten USA zu gelangen.
Nach einigen Tagen wechseln wir nach Zentralkuba und kommen nach 7-stündiger Fahrt mit einem Colectivo (einem Sammeltaxi oft in Form eines Peugeot 405, das rund 4 Passagiere aufnehmen kann und feste Strecken fährt) in Trinidad bei Frank, einem ehemaligen ostberliner Koch an. Seiner 6-jährigen Tochter bringen wir jede Menge vorbestellte deutsche Süßigkeiten mit, die es hier leider nicht gibt. Hätten wir um das kubanische Gesundheitssystem mehr gewusst, hätten wir wohl auch schachtelweise Schmerzmittel mitgebracht, so oft werden wir auf der Straße nach Paracetamol gefragt. So können wir nur auf unsere Rucksackapotheke zurückgreifen.
Frank war von der Schönheit des Landes und der kubanischen Lebensfreude vor elf Jahren so begeistert, dass er Deutschland hinter sich ließ und sein Restaurant verkaufte. Nun zeigt er sich zutiefst frustriert über die Planwirtschaft, die Inflation und die wenigen Touristen, die es noch nach Kuba zieht. Neben den pandemie bedingten Rückgängen wirkt sich auch der russisch-ukrainische Krieg verheerend auf den Tourismus aus, da viele Devisen aus dem sozialistischen Bruderland kamen. Franks Ziel ist nun Costa-Rica. Wir drücken die Daumen!
Etwas aufgeregt laufen wir am nächsten Tag mit Frank zum kleinen Hafen von Casilda, wo uns ein großer Katamaran erwartet. Mit ihm und einigen anderen Touristen legen wir zu einer fast 2-stündigen Fahrt nach Cayo Lleguanos ab, einer kleinen nur von Leguanen bevölkerten Riffinsel weit vor der Südküste. Ich lasse vorne am breiten Bug sitzend den warmen Wind durch die Haare wehen. Warum habe ich eigentlich noch kein einziges Windrad in Kuba gesehen, frage ich mich? Warum kostet der Sprit hier nur ein Zehntel (!) des deutschen Preises? Wo sind die Sonnenkollektoren, die die tropische Sonne direkt und effizient inhalieren könnten? Liegt es an der geschlossenen sozialistischen Staatsform? An den guten Beziehungen zum ehemaligen Ostblock, der Kuba mit billiger Energie versorgt? Hierauf Antworten zu erhalten, ist schwer. Fest steht aber, dass der globalen Klimakrise nur global geantwortet werden kann. Und nur lokal können die notwendigen Maßnahmen angegangen und umgesetzt werden. Eine Bevölkerung, die mühsam von einem Tag zum anderen kämpft, kann man in einem diktatorischen Regime von solchen „hehren“ Zielen, die ja auch eine Änderung für das Regime bedeuten, fernhalten. Aber ist es nicht auch unsere Aufgabe, auf die jetzige Notwendigkeit und langfristige Wichtigkeit aufmerksam zu machen? Denn was nützt eine eigene Tabakplantage, wenn in 30 Jahren kein Regen mehr fällt?!
Und erst wenn die gesellschaftliche Traumatisierung, die durch den Sozialismus entstand, überwunden ist, kann sich die notwendige Bereitschaft und Offenheit einstellen, umzudenken und aus einem eigenen Antrieb heraus neu und frei zu handeln. Dazu sind auch von uns, politische Konsequenzen zu ziehen und geschlossene Gesellschaften stärker zum Umdenken zu bewegen. Obwohl wir uns in Europa nicht in einer solch drastischen wirtschaftlichen Notlage wie in Kuba befinden, haben wir tatsächlich ähnliche Hürden zu nehmen.
Wir sind ebenfalls noch weit davon entfernt davon, integral zu handeln. Wir wissen was zu tun ist, um dem Klimawandel adäquat zu begegnen und wollen es auch meist wissen, aber wir tun es dennoch nicht so konsequent und entschlossen, wie es nötig wäre. Und irgendwie finden wir diese Lücke zwischen Wissen und Handeln inzwischen ganz normal! Wir lesen Bücher über Nachhaltigkeit, innere Entwicklung und Achtsamkeit, kennen uns mit Ressourcenschutz theoretisch super aus, verhalten uns aber meist so, als ginge uns das gar nichts an. Die Verbindung vom Wissen zum Handeln und zum Fühlen bzw. zur Intuition ist die Brücke zu wirklichen Veränderungen. Sie herzustellen, wird unsere Aufgabe sein. Dazu brauchen wir Mut, Altes loszulassen, klare Werte, erreichbare Ziele und Vertrauen in uns und unsere Gesellschaft – und die Gewissheit es zu schaffen! Die Friday-for-future Bewegung geht in diese Richtung!
Langsam nähern wir uns einem hellen Streifen am Horizont: Cayo Lleguano erhebt sich kaum mehr als einen Meter aus dem Wasser und hätte gute Chancen, in den nächsten Jahren von der Landkarte zu verschwinden und mit dieser paradiesischen Riffinsel zahlreiche Palmen, Sträucher, Bretterbuden und Leguane, die sich im Gebüsch vor der Sonne verstecken und beim Mittagessen der Touristen ziemlich aufdringlich zwischen den Bänken und Beinen herumspazieren. Bevor wir die unterwegs von Zweien der Mannschaft aus Reusen auf dem Meeresgrund geangelten Langusten serviert bekommen, halten wir an der Inselspitze für einen Tauchstopp. Insgesamt enttäuschend im Vergleich zum Roten Meer oder den philippinischen Inseln sind die wenigen Riffe von einigen kleinen Doktor-Fischen und wenigen Anemonen bewohnt. Über allem liegt ein dünner trüber Algenteppich. Es hat fast den Anschein, als sei das Wasser zu warm und habe zu wenig Sauerstoff.
Unsere kleine Rundreise wird zum Abschluss in Havanna von einem Abend gekrönt, den wir nach der vergeblichen Suche nach Bars mit Salsa-Musik ganz unverhofft mit einem Paar am Nachbartisch teilen. Susan, eine Havannerin mit zwei Kindern aus erster Ehe mit einem Kubaner und Bahman, ein Iraner, der in Vancouver einen Zimmermannsbetrieb führt, sind sofort mit uns auf einer Wellenlänge. Beide haben eine kleine Tochter zusammen; er pendelt zwischen Kanada und Kuba. Wir merken sofort, dass wir die gleiche Einstellung zum Leben, zur Freiheit, zur Liebe, zu Kindern und zu unserer wunderbaren Welt haben. So eine spontane Verbundenheit zu spüren, lässt uns allen die Augen feucht werden. Was für ein Geschenk! Auch die beiden bestätigen unseren Eindruck einer durch Sozialismus, Corona und den Ukraine-Krieg getrübten Lebensfreude vieler Kubaner. Dennoch ist das fröhliche ungezwungene und leichte Herz Kubas immer wieder zu spüren. Am Vorabend haben wir es in zwei Bars gehört. Mit unseren in Trinidad spät abends schnell gelernten Salsa-Schritten probten wir auf der Straße und wurden prompt ins Restaurant gewunken, drehten unter aufmunternden Blicken der Band ein paar Runden aus Salsa, Disco-Fox und Cha-Cha-Cha und waren schon wieder draußen, um die nächsten Salsa-Klänge aufzuspüren.
Jetzt reden und lachen wir vier auch noch, nachdem die letzten Gäste gegangen sind und haben das Gefühl uns schon ewig zu kennen. Alleine diese Verbundenheit in der gemeinsamen Gewissheit, dass wir alle uns auf neue vielleicht unbequeme Zeiten einzustellen haben, dass es Veränderungen geben wird, die wir noch gar nicht kennen, macht gleichzeitig Mut und Hoffnung.
Epilog
Als kurz nach dem Start zurück nach Frankfurt der Kapitän unserer Boing 787 dynamisch-jovial durchsagt, dass wir nun mit 55 Tonnen Kerosin starten und mit 9 Tonnen landen werden, zucke ich innerlich zusammen und rutsche etwas tiefer in den Sitz. 383 Liter pro Person rechne ich für Hin- und Rückflug bei geschätzten 300 Passagieren. Mit meinem Auto könnte ich in Benzin umgerechnet ein halbes Jahr zur Arbeit von Roetgen nach Aachen pendeln – und noch eine Fahrgemeinschaft bilden.
Ich möchte nichts schönreden. Ökologisch ist unsere Reisebilanz miserabel, da hilft auch keine Katamaran-Fahrt. Aber ohne das unmittelbare Erleben und den direkten Austausch mit anderen fehlt uns der tiefere Einblick in andere Sicht- und Handlungsweisen. Wir können nur vernetzt die globalen Probleme angehen und dazu gehört gegenseitiges Verstehen und Verständnis. Erst dann gelingt es uns, die unterschiedlichen Geschwindigkeiten aus der Klimakrise heraus zu einem gemeinsamen Erfolg für alle werden zu lassen.